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Gamefront: Die aktuelle Ausgabe


Facts:

System: Xbox / PS2
Entwickler: Rockstar
Vertrieb: Take-Two
Version: USA
Test in GAMEFRONT # 46 März Juli 2005


Im größten GTA aller Zeiten begeistern die kleinen Verbesserungen im Kampf um Macht und Geld.



Bloß weg aus Liberty City! 1992 kehrt CJ in seine Heimat San Andreas zurück. Der Staat besteht aus den riesigen Städten Las Venturas (Las Vegas), Los Santos (Las Vegas) und San Fierro (San Francisco). Bei seiner Ankunft hat sich vieles verändert: Seine Mutter ist tot, seine Gang dezimiert und die Familie zerstritten. Um im Bandenkrieg die Oberhand zu gewinnen, durchläuft CJ eine Gangsterkarriere: Mehr Geld und Einfluss sollen ihn und seine Gangmitglieder zu den Herrschern in San Andreas machen und ein mächtiges Imperium aufbauen.

Das neueste GTA bietet als Grundgerüst die bekannten Merkmale der Serie: Als CJ erledigt man tonnenweise Aufträge, für die er Geld und Respekt erhält. CJ organisiert den Überfall auf ein Casino und stiehlt Militär-Ausrüstung. Er bringt von der Polizei bewachte Zeugen um und vergräbt einen widerspenstigen Vorarbeiter bei lebendigem Leibe in einer Betongrube.

Die Reihenfolge der Aufträge ist locker vorgegeben: Oft erscheinen mehrere Symbole von Auftraggebern auf dem Radar, die man je nach Belieben abarbeitet. Verdientes Geld gibt man für Waffen und Grundstücke aus, sowie für Kleidung, Tattoos und Friseur.
Abgesehen vom fünf Mal größeren Umfang der Stadt gegenüber Vice City und dem grafischen Fortschritt, hat Rockstar drei wesentliche Dinge gegenüber den Vorgängern geändert.

Man nimmt erstmals auf die Entwicklung des Hauptcharakters Einfluss, ähnlich wie in einem Rollenspiel. CJ geht in Boutiquen einkaufen, wird durch schlechtes Essen fett oder behält mit Salatmenüs seine Figur. Im Fitness-Studio trainiert er sich Muskeln und neue Kampfstile an, jeder Waffeneinsatz verbessert die Zielgenauigkeit und fördert schnelleres Nachladen. Er kümmert sich um seine Freundin, geht mit ihr Essen und ins Bett. In Flug-, Boots- und Fahrschule lernt CJ die entsprechenden Vehikel besser zu handhaben.

Das Zweite ist der extreme Ausbau der Nebenaufgaben: Man verspielt seine Kohle im Casino oder in Billardturnieren, nimmt an illegalen Straßenrennen teil oder sprayt Graffitis seiner Gang. Im Hafen verschifft man geklaute Autos, im Truck liefert man unter Zeitdruck Güter ab. Zwischendurch erledigt man im Straßenkampf feindliche Gangs und erobert ihr Gebiet - auf der Karte ist es ab sofort grün, Geld liegt als Belohnung regelmäßig vor CJs Haus.

Als Drittes hat Rockstar etliche spielerische Erweiterungen vorgenommen und Fehler beseitigt. Beim Schießen sieht man die Lebensenergie seines Gegners anhand einer farbigen Markierung. CJ klettert über einen Zaun und kann endlich schwimmen. Nach dem Abspeichern sind jetzt alle Fahndungslevel-Sterne verschwunden. Autos lassen sich tunen, auf Kommentare von Passanten antwortet man positiv oder negativ via Tastendruck. Die Kamera ist mit dem rechten Stick frei justierbar.




GTA San Andreas ist ein Monster, ein gewaltiges Erlebnis in einer riesigen Welt, in der es fast keine Grenzen gibt. Eine neue Grafik-Engine macht die Landschaft noch detailreicher als in GTA Vice City (dt. Vers.): Die Gebäudearchitektur ist aufwendiger, zeigt abgefallenen Putz, einzelne Holzlatten und Ziegelsteine an den Außenwänden sowie üppige Vordächer und Feuerleitern - kein Vergleich zu den simplen Häusern in den Vorgängern, von denen viele optisch eher Notunterkünftigen glichen. Die überarbeiteten Lichtverhältnisse und die sorgfältige Nachbildung der Natur machen das Szenario noch realer.

Die Grafik sieht auf der Xbox aufgrund höherer Auflösung und Fernsicht besser aus. Außerdem ist die Framerate stabiler, das Spiel läuft flüssiger und ruckelt nicht so oft. Auf der PS2 kommt es gelegentlich zu massiven Slowdowns, wenn zu viele Explosionen und Charaktere auf dem Bildschirm sind - derartige Geschwindigkeitsein-bußen fehlen auf der Xbox.

Die meisten Objekte werden in der Ferne sanft eingeblendet, doch vieles springt durch Pop-Up auf der PS2 blitzartig ins Bild. Beim Fliegen ist das Pop-Up extrem heftig: Wolkenkratzer erscheinen aus dem Nichts, Bäume nur einen Meter vor dem Hubschrauber. Ganze Landstriche bestehen nur aus einer platten Fläche, bevor von einer Sekunde auf die andere ein Wohnviertel auftaucht.
Auf der Xbox gibt es weniger Pop-Up beim Fahren und deutlich weniger beim Fliegen. Wer ein altes Laufwerk in der PS2 hat, muss mit Streaming-Problemen rechnen: Die Grafik ruckelt stärker, Pop-Up tritt noch öfter auf. Die Xbox hat mit dem Streamen keine Schwierigkeiten.

Die Missionen sind intelligent in die Geschichte eingebettet, die viele Überraschungen parat hält. Etliche Aufträge kamen in ähnlicher Form schon in früheren Episoden vor, dazu gibt es genügend neue: So fackelt CJ ein Drogenfeld mit dem Flammenwerfer ab und zerhackt Kontrahenten auf dem Feld mit einem Mähdrescher. Die Aufträge sind insgesamt aber leichter als im dritten Teil und in GTA Vice City (dt. Vers.). Bekannte Charaktere hat Rockstar clever in die Geschichte eingebaut, Veteranen werden ihre Auftritte und Geschichten lieben.

Am meisten haben mich die Kleinigkeiten begeistert, die Rockstar verbessert hat. Klaut man ein neues Auto, ist der zuletzt gespielte Radiosender voreingestellt. Einen Wagendiebstahl bricht man durch Tastendruck oder Bewegen des Sticks ab; ideal, wenn gerade ein Cop neben dem Fahrzeug steht, was zuvor sofort zu einer Verhaftung geführt hat.

Doch nicht alles in San Andreas ist perfekt. Beim Klamottenkauf nerven in der Umkleidekabine lange Ladezeiten. Warum blendet Rockstar kein kleines Vorschaubild neben der Kleidung ein, anstatt dass sie CJ immer erst komplett anziehen muss? Das ist zeitraubend.

Die Kamera steht beim Autofahren zu tief. Sie verdeckt zuweilen vorausfahrende Wagen, schränkt die Sicht bei Gefällstrecken und Steigungen ein: Speziell bei den Wettrennen auf dem Land ein Ärgernis, wenn man mal wieder eine Abzweigung oder den Vordermann zu spät sieht. Zwar lässt sich die Perspektive via linkem Stick manuell vertikal justieren, sie bleibt aber nicht eingerastet und der Stick wird ohnehin zum Lenken benötigt.

Anfangs ist es noch spaßig, wenn feindliche Gangs das eigene Territorium angreifen ('Our hood is under attack!'). Doch später nervt es ungemein: Hält man sich in Las Venturas auf, schrillt der Alarm aus Los Santos. Will man sein Gebiet nicht verlieren, muss man alles stehen und liegen lassen und die aufwendige Reise in Kauf nehmen.

Beim Kampf selber bleiben Gegner manchmal an Gebäudeecken hängen, die außerhalb des Kampfgebiets liegen. Läuft man hin, um sie zu töten, gibt es eine Warnmeldung: Zurück ins Kampfgebiet, oder es ist verloren. Also heißt es abwarten, bis der Rechner die Richtung des Gangsters endlich korrigiert - so vergehen etliche zähe Minuten.

Auch sonst gibt es in den hunderten Spielstunden manche "AI"-Kuriositäten: Auf der Autobahn überholen plötzlich zwei Gabelstapler mit 120 km/h meinen Sportwagen und zwei Typen stecken ohne Beine einfach so in der Straße.

Steht man ab drei Fahndungslevel-Sternen unter der Brücke in Idlewood, hauen Helikopter der Polizei seltsamerweise wieder ab.

Designfehler: Durch Glücksspiel gelangt man in kürzester Zeit mühelos zu mehreren Millionen Dollar. Sofort ist jedes Gebäude, jede Waffe und jede noch so teure Kleidung problemlos zu haben - warum noch mit langwierigen Einbrüchen oder Straßenrennen Geld verdienen?

In San Fierro ist man während der Mission kaum im westlichen Teil der Stadt, das meiste ist im Osten zu erledigen. Nur wer Miniaufgaben löst, kriegt den westlichen Teil ausreichend zu Gesicht. Der 'Boostmodus' beim Autofahren lässt das Bild bei hoher Geschwindigkeit verschwimmen, was aber die Sicht einschränkt.

Die Steuerung der Modellflugzeuge in den San Fierro Missionen ist zusammen mit dem gnadenlosen Zeitlimit eine einzige Frechheit: Ich habe noch kein Spiel erlebt, das eine katastrophalere Steuerung hat wie San Andreas während dieser Flugeinsätze. Die Miniflieger krachen bei der kleinsten Stickbewegung gegen die eng beieinander stehenden Gebäude, verheddern sich in Telefonleitungen und irren durch Baumkronen: Ein Fehler bedeutet fast immer das Aus. Dagegen war es eine regelrechte Wohltat, den bockigen 'Dodo' in GTA3 in die Luft zu kriegen.

Immer noch nicht korrigiert: Kauft man eine neue Waffe bei Ammu-Nation, welche eine bisherige ersetzt, weiss man während des Kaufs immer noch nicht, welche Knarre durch den Neukauf wegfällt.

Auf der Xbox macht sich dann auch der übelste Fehler der Umsetzung bemerkbar: Aufgrund von zwei fehlenden Schultertasten sind 'Drive-By-Shootings' nicht ausführbar. So drückt man die R Taste zum Gasgeben, lenkt mit dem linken Daumen, soll dann die weiße bzw. schwarze Taste zum Links- oder Rechtsschauen drücken und gleichzeitig noch A oder B zum schießen. Solche Fingerakrobatik ist im normalen Spielverlauf nicht durchführbar und ein kompliziertes Gewurschtel. Selbst das nach hinten Schauen während der Fahrt ist kaum möglich, muss man doch die weiße und schwarze Taste gleichzeitig drücken.

Die Musik gefällt mir insgesamt nicht so gut wie in GTA Vice City (dt. Vers.), was an den vielen Rap und Hip Hop Songs liegt. Auch fehlen geniale Stationen wie VCPR. Immerhin hat die Xbox einen Custom Soundtrack. Die deutsche PAL-Fassung ist außerdem schwerer als die Importversion, denn erschossene Passanten und Gangster hinterlassen wieder mal kein Geld.

Gerade nach dem Erschießen eines Dealers lässt dieser in der US- bzw. UK PAL Version mehrere Tausend Dollar auf der Straße zurück - den Fahndungslevel sollte man währenddessen aber im Auge behalten, denn die brutalen Cops rücken umgehend nach einigen Schusswechseln an.

So verfügt man in den Importversionen wie gewohnt über ausreichend Geld für Waffenkauf, Friseurbesuch und Essen, während man in der deutschen PAL-Version nur ein Taschengeld besitzt und es gerade anfangs sehr viel schwerer ist, an Kohle für das Nötigste zu kommen.

GTA San Andreas ist vollgestopft mit Aufgaben und bietet unzählige Möglichkeiten, sich zu Zeit zu vertreiben - doch viele der freiwilligen Nebenaufgaben bleiben ungenutzt. Es gibt reichlich Neuerungen, die man in keinem zukünftigen GTA mehr missen will. Die Größe der Welt ist bemerkenswert. Es ist eine enorme Leistung, was Rockstar - gerade auf der PS2 - hier erschaffen hat.

Dennoch ist das Spielgebiet so groß, dass man sich nicht so gut zurechtfindet wie in GTA Vice City (dt. Vers.) und der nötige Überblick fehlt: Gerade hat man in Los Santos etwas Durchblick bekommen, kennt Abkürzungen, Straßenverlauf und Pay'n Spray-Filiale, schon geht's raus aufs Land und danach ab nach San Fierro. So 'mittendrin' wie in den Vorgängern fühlt man sich nicht, stattdessen kommt man sich eher vor wie auf der Durchreise. Deshalb ist auch die Atmosphäre nicht mehr ganz so berauschend wie in den Vorgängern.

Viele der Bezirke kriegt man nur zu sehen, wenn man freiwillig hinfährt; in Missionen oder sonstigen Aufgaben sind sie nicht integriert. Ohne Zweifel ist GTA San Andreas ein überragendes Spielerlebnis. Doch sollte Rockstar diesen Koloss an einigen Stellen entschlacken und manches kompakter konstruieren, damit er den Spieler nicht erdrückt.







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